Thomas Hieke, «Das Alte Testament und die Todesstrafe», Vol. 85 (2004) 349-374
Rather than understanding the Old Testament sanction
tmwy twm ("he shall surely be put to death") as a
death penalty edict, one should see it as a parenetic warning. Comparing the
verses which contain mot yumat with the few references to death sentences
and executions, it is to be doubted whether this condemnation was indeed
applicable. The ‘death edicts’ are therefore not ‘law,’ but divine dicta
functioning as deterrents. They formulate things that should not happen under
any circumstances. Hence, they underscore the most important ethical and cultic
maxims.
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sowie an kultischen Vergehen nicht interessiert (54). Die Priester
wiederum sind für die außerhalb des sakralen Raumes begangenen
Taten wie Totschlag und Inzest kaum zuständig. Woher kommen also
die tödlichen Warnungen? Die Versuche (v.a. von H. Schulz), eine
kultische Gerichtsinstanz und ein todesgerichtliches Verfahren zu
rekonstruieren, müssen aufgrund der zu geringen Textgrundlage als
gescheitert betrachtet werden (55).
Wenn das Todesstrafrecht im Alten Testament sehr klar geregelt
wäre und demzufolge viele solcher Prozesse und anschließende
Hinrichtungen stattgefunden haben, müsste es Spuren davon geben.
III. Todesrechtsprozesse und Hinrichtungen im Alten Testament
In der erzählenden Literatur des Alten Testaments, besonders im
Buch Genesis, gibt es eine ganze Reihe von Fällen, die unter die
genannten “Todesrechtssätze†fallen würden. Das beginnt bei Kain,
der Abel totschlägt, geht weiter über Abraham, der seine Halbschwe-
ster Sara ehelicht (Gen 20,12) und hört noch nicht auf bei Juda, der
(unbekannterweise) mit seiner Schwiegertochter Tamar Zwillinge
zeugt (Gen 38). In all diesen Fällen ist jedoch von einem Todesrechts-
prozess keine Rede (56).
(1) Erst in Lev 24,10-23 (57) taucht so etwas wie eine “Todesstrafeâ€
auf: Einem Halb-Israeliten («Der Sohn einer Israelitin und eines
Ägypters») wird der Prozess gemacht, weil er den Namen Gottes
(54) SEEBASS, “Sklavenrechtâ€, 182, beobachtet “eine erstaunliche Diskrepanz
zwischen der Härte des Todesrechts und der Milde des Rechtsausgleichs, sobald
das Todesrecht nicht in Frage kam.†Und weiter führt er an, dass “das atl.
Hebräisch kein Wort für Strafe hatâ€. Oberstes Ziel des biblischen Rechtssystems
ist es, einen gerechten Ausgleich, Schadensbegrenzung und Schadensersatz zu
erzielen, und nicht drakonische Strafen auszusprechen, die niemandem nützten.
Vgl. die Darstellung bei SEEBASS, “Sklavenrechtâ€, 183, dass das Alte Testament
außerhalb des “Todesrechts†nur drei echte Strafen kenne (Dtn 25,11-12; 25,2-3;
19,16-21) und auch die mehrfach erwähnte doppelte Ersatzleistung (z.B. Ex
22,3.6) keine Strafe, sondern eine Satisfaktionsleistung oder Abstandszahlung ist.
Vgl. ferner GERSTENBERGER, “Divine Threatsâ€, 46.
(55) Vgl. GERSTENBERGER, “Apodiktisches Recht?â€, 17.
(56) Vgl. GERSTENBERGER, “Apodiktisches Recht?â€, 18; ferner STASSEN,
“Capital Punishmentâ€, 486, zu Kain, Mose, David, Tamar in Gen 38, Hosea und
Gomer.
(57) Vgl. R.R. HUTTON, “Narrative in Leviticus: The Case of the Blaspheming
Son (Lev 24,10-23)â€, Zeitschrift für Altorientalische und Biblische Rechtsge-
schichte 3 (1997) 145-163.