Thomas Hieke, «Das Alte Testament und die Todesstrafe», Vol. 85 (2004) 349-374
Rather than understanding the Old Testament sanction
tmwy twm ("he shall surely be put to death") as a
death penalty edict, one should see it as a parenetic warning. Comparing the
verses which contain mot yumat with the few references to death sentences
and executions, it is to be doubted whether this condemnation was indeed
applicable. The ‘death edicts’ are therefore not ‘law,’ but divine dicta
functioning as deterrents. They formulate things that should not happen under
any circumstances. Hence, they underscore the most important ethical and cultic
maxims.
Das Alte Testament und die Todesstrafe 373
Tora. Dazu gehört auch die Grenzziehung zwischen “heilig†und
“profan†am Berg Sinai in Ex 19,10-24: Der mot-Satz in 19,12 ist ganz
offensichtlich kein menschliches Todesstrafrecht, sondern eine
Schutzbestimmung Gottes für die Menschen, die aufgrund ihrer
Schwachheit und Sünde nicht in den Bereich des Heiligen eindringen
dürfen, da sie sonst vernichtet würden. (c) Unterstützt wird diese
Sichtweise durch die Fluchsätze in Dtn 27,15-26, die zahlreiche
Tatbestände, die andernorts durch mot-Sätze sanktioniert werden, mit
einer Fluchformel belegen, die vom Volk mit “Amen†bestätigt wird.
Die Ausführung des Fluches wird Gott überlassen. Damit wird
deutlich, dass die aus Levitikus und Exodus übernommenen
Tatbestände v.a. hinsichtlich sexueller Beziehungen letztlich genauso
wie die anderen genannten Tatbestände (z.B. den Grenzstein
verrücken, was in der Regel ohne Zeugen geschieht, den Blinden den
falschen Weg weisen, das Recht der Armen beugen, einen anderen
heimlich, also ohne Zeugen, erschlagen) nicht vor einem
menschlichen Gericht justiziabel sind, sondern mit einem Fluch belegt
und damit durch göttliche Intervention sanktioniert sind. (d) Auch der
mot-Satz in Ez 18,13 ist nicht als menschliches Todesstrafrecht zu
sehen, sondern als eine unbedingte Ächtung bestimmter Tatbestände,
die dadurch geschieht, dass sie einem göttlichen Gericht unterstellt
werden. Es lässt sich also für eine ganze Reihe von mot-Sätzen und
den damit verbundenen Tatbeständen zeigen, dass sie im Lichte
anderer biblischer Texte nicht als menschliches Todesstrafrecht zu
verstehen sind, sondern als zu ächtende Angelegenheiten, die Gottes
direkter Supervision und Intervention unterstehen (83).
(7) Aus all dem liegt der Schluss nahe, dass die mot-Sätze und
damit letztlich auch die anders formulierten Todessanktionen
vornehmlich paradigmatisch-paränetischen Charakter haben (84). Diese
Sätze fassen in Worte, was unter keinen Umständen vorkommen darf.
Es geht nicht um die Strafe (das zeigen die weitgehend fehlenden
Ausführungsbestimmungen und die stereotype Sanktionsformu-
lierung), sondern um den zu verurteilenden, zu ächtenden Tatbestand.
Somit ist das sogenannte “Todesrecht†kein Recht im engeren Sinne,
sondern ein Ethos. Die mot-Sätze gehören also nicht in das Strafrecht,
in die “Justizâ€, sondern sind Drohungen von Gemeindevorstehern, die
(83) Vgl. GERSTENBERGER, “Apodictic Law?â€, 145.
(84) Vgl. dazu v.a. GERSTENBERGER, “Apodiktisches Recht?â€, 17-19. RUWE,
Heiligkeitsgesetz, 227, weist auf den paränetischen Rahmen Lev 20,7-8 und 22-
26 hin.