Thomas Hieke, «Das Alte Testament und die Todesstrafe», Vol. 85 (2004) 349-374
Rather than understanding the Old Testament sanction
tmwy twm ("he shall surely be put to death") as a
death penalty edict, one should see it as a parenetic warning. Comparing the
verses which contain mot yumat with the few references to death sentences
and executions, it is to be doubted whether this condemnation was indeed
applicable. The ‘death edicts’ are therefore not ‘law,’ but divine dicta
functioning as deterrents. They formulate things that should not happen under
any circumstances. Hence, they underscore the most important ethical and cultic
maxims.
368 Thomas Hieke
werde, gleichsam eine Art Todesurteil Gottes über Volk und Tempel.
In Ez 16,38-40 findet sich ein Gerichtswort gegen Jerusalem, das mit
der Metapher der treulosen Ehefrau versehen wird: Nach den
Vorschriften für Ehebrecherinnen (Lev 20,10) wird Gott das Urteil
fällen, es wird eine Volksversammlung und eine Steinigung geben
(vgl. ebenso Ez 23,1-49: die Parabel der treulosen Schwestern
Ohola/Samaria und Oholiba/Jerusalem). Diese Spuren sind jedoch zu
vage, um daraus eine konkrete Rechtskultur oder gar eine
“Strafprozessordnung†zu rekonstruieren. Sie sind jedenfalls keine
Beweise dafür, dass und wie die Todesstrafe ausgeübt wurde (66).
Bilanziert man die wenigen Belege für angebliche “Todesrecht-
sprozesse†im Alten Testament, so stößt man auf paradigmatische
Lehrerzählungen mit paränetischem Charakter, auf einen handfesten
Justizmord und auf mehrdeutige Prophetenworte. Der Befund steht in
keinem Verhältnis zur Zahl der mit der angeblichen Todesstrafe
belegten Tatbestände. Es scheint einen deutlichen Widerspruch zu
geben zwischen den harten Formulierungen der Rechtssätze in den
biblischen Texten und der tatsächlichen Praxis, für die sich kaum
konkrete Hinweise finden (67).
IV. Schlussfolgerungen
(1) Die hier in Betracht gezogenen biblischen Texte erlauben
keinen konkreten Rückschluss auf eine tatsächliche Rechtspraxis
(66) Vgl. MCKEATING, “Adulteryâ€, 62. Insgesamt schließt MCKEATING
hinsichtlich der Vorschriften über den Ehebruch, dass das kasuistische Recht
zwar die Todesstrafe vorsehe und dass es viele Hinweise dafür gebe, dass diese
Vorschrift bekannt war, jedoch nur sehr wenig direkte Evidenz dafür, dass sie
tatsächlich angewandt wurde.
(67) MCKEATING, “Law on Homicideâ€, 67, wendet sich gegen die These von
A. PHILLIPS, Ancient Israel’s Criminal Law. A New Approach to the Decalogue
(Oxford 1970); vgl. ID., “The Decalogue – Ancient Israel’s Criminal Lawâ€, JJS
34 (1983) 1-20, der Dekalog sei ein listenartiges Strafrecht, das durch die
Todesstrafe sanktioniert sei. Wenn es tatsächlich (auf der Basis eines sehr früh
angesetzten Dekalogs) ein über Jahrhunderte funktionierendes (Todes-)Straf-
rechtssystem gegeben hätte (wie A. Phillips das annimmt), dann wäre es
unerklärbar, dass in all der Zeit nie ein Fall aufgetreten ist, der interessant genug
gewesen wäre, um Eingang in die erzählenden Texte zu finden. Zudem ist mit
MCKEATING, “Law on Homicideâ€, 68, zu betonen, dass in der nachexilischen Zeit
Israel in hohem Maße von fremder Oberhoheit abhängig war, so dass
schwerwiegende Tatbestände wie Mord nicht nach “biblischem Rechtâ€, sondern
nach dem Gesetz der jeweiligen Besatzungsmacht behandelt wurden.