Thomas Hieke, «Das Alte Testament und die Todesstrafe», Vol. 85 (2004) 349-374
Rather than understanding the Old Testament sanction
tmwy twm ("he shall surely be put to death") as a
death penalty edict, one should see it as a parenetic warning. Comparing the
verses which contain mot yumat with the few references to death sentences
and executions, it is to be doubted whether this condemnation was indeed
applicable. The ‘death edicts’ are therefore not ‘law,’ but divine dicta
functioning as deterrents. They formulate things that should not happen under
any circumstances. Hence, they underscore the most important ethical and cultic
maxims.
Das Alte Testament und die Todesstrafe 367
Das Fasten ist allgemeines Anzeichen für eine nationale Krise und
keineswegs spezifisches Element eines “Todesrechtsprozessesâ€. In
dieser spannungsgeladenen Situation wird Nabot von zwei (!) falschen
Zeugen beschuldigt, gegen den König und gegen Gott gelästert zu
haben (vgl. Lev 24,16; Ex 22,27). Nabot wird tatsächlich verurteilt
und durch Steinigung hingerichtet, woraufhin Ahab Nabots Weinberg
in Besitz nimmt. Für das Verstehen der Geschichte ist es keineswegs
nötig, eine feste Form eines “Todesrechtsprozesses†(die wiederum
nur aus dem Text rekonstruiert würde) vorauszusetzen. Es genügt
völlig anzunehmen, dass einem König in einer durch das Fasten
angezeigten nationalen Krise (aber letztlich auch sonst) jede denkbare
Maßnahme möglich ist (64). Dieser “Justizmord†hat für Ahabs Haus
schlimme Folgen, die der Prophet Elija ankündigt (65). Da es das
eigentliche Ziel von 1 Kön 21 ist, diesen Justizmord zu Lasten von
König Ahab und seiner Frau Isebel zu schildern, ihn also letztlich als
illegal zu verurteilen, ist der Text als Quelle für ein Todesstrafrecht
denkbar ungeeignet: Je fadenscheiniger der Prozessverlauf dargestellt
wird, umso mehr kommt das der Pragmatik der Stelle — Ahab und
Isebel zu disqualifizieren — entgegen, und umso weniger lassen sich
daraus Fakten für einen Todesrechtsprozess in der Königszeit
gewinnen.
(5) Auch gegen den Propheten Jeremia wird ein “Todesrechts-
prozess†angestrengt (Jer 26,7-19), doch er wird freigesprochen.
Allerdings fehlt hier ein Rechtssatz, gegen den Jeremia verstoßen
haben sollte. In manchen Prophetenworten könnte ferner ein Reflex
auf einen “Todesrechtsprozess†zu finden sein: In Jer 7,1-15 stellt sich
Jeremia an die Tempeltore, die der traditionelle Gerichtsort sind (vgl.
Jer 26,10) und verkündet, dass Gott das sündige Volk verwerfen
(64) Dazu gehört auch die Beseitigung unbequemer Leute in scheinbar legalen
Vorgängen, vgl. 1 Kön 2,29-34; Jer 26,23; 2 Chr 24,21; ferner 1 Sam 22,16.
Dabei darf die faktische Macht, jemanden töten zu lassen, nicht mit “Todesstrafeâ€
bezeichnet werden. – Die Hinrichtung der Nachkommen Sauls durch die
Gibeoniter in 2 Sam 21,1-14 ist keine “Todesstrafeâ€, sondern ein dunkles Kapitel
um Blutschuld und Blutrache, vgl. G. HENTSCHEL, “Die Hinrichtung der
Nachkommen Sauls (2 Sam 21,1-14)â€, Nachdenken über Israel, Bibel und
Theologie. Festschrift K.-D. Schunck (Hrsg. H.M. NIEMANN – M. AUGUSTIN –
W.H. SCHMIDT) (BEATAJ 37; Frankfurt am Main u.a. 1994) 93-116; ferner
MCKEATING, “Law on Homicideâ€, 59-62.
(65) Wie der Prophet Natan nach der Affäre Davids mit Batseba (2 Sam 12,5)
zeigt auch Elija dem König das Verwerfliche seiner Tat auf, für die er den Tod
verdient hätte. Doch die Texte sind weit davon entfernt, eine Todesstrafe für den
König auch nur zu erwägen.