Thomas Hieke, «Das Alte Testament und die Todesstrafe», Vol. 85 (2004) 349-374
Rather than understanding the Old Testament sanction
tmwy twm ("he shall surely be put to death") as a
death penalty edict, one should see it as a parenetic warning. Comparing the
verses which contain mot yumat with the few references to death sentences
and executions, it is to be doubted whether this condemnation was indeed
applicable. The ‘death edicts’ are therefore not ‘law,’ but divine dicta
functioning as deterrents. They formulate things that should not happen under
any circumstances. Hence, they underscore the most important ethical and cultic
maxims.
Das Alte Testament und die Todesstrafe 365
schmähte. Die Perikope steht mit ihrem vom Umfeld völlig abwei-
chenden Erzählstil eigenartig im Kontext (58) zwischen den Vorschrif-
ten über den Schaubrottisch (24,1-9) und den Bestimmungen zu
Sabbatjahr und Jubeljahr (25,1-55). Zunächst sieht es so aus, als
handle es sich um die Erzählung eines tatsächlichen Ereignisses, u.a.
werden Namen von Personen genannt. Dann aber gibt es keinen
Prozess aufgrund eines mot-Satzes, vielmehr wird ein Spruch YHWHs
abgewartet. Gott spricht das Urteil in Form eines mot-Satzes, der dann
weitere Rechtssätze, die mit der ursprünglichen Geschichte nichts zu
tun haben, nach sich zieht. Nur sehr knapp wird die Steinigung des
Schmähers in 24,23 nachgetragen. Im Zentrum steht weniger die
Hinrichtung, sondern die Belehrung des Volkes («sag den Israeliten»).
Das Ganze wirkt weniger wie ein Bericht über die Ausführung der
Todesstrafe, sondern wie ein aus paränetischen Gründen apophteg-
matisch um einen bestimmten Rechtssatz über die Schmähung des
Gottesnamens konstruierter Fall (59). Beachtet man genauer die
Stellung der Perikope im Buch Levitikus, so wird deutlich, dass es
sich um einen weit über den Einzelfall der “Blasphemie†hinaus-
gehenden Präzedenzfall handelt, der das paränetische Ziel hat, die
Gültigkeit und Bedeutsamkeit aller vorausgehenden Vorschriften
einzuschärfen (60).
(2) Ebenso wenig realistisch wie vielmehr paradigmatisch und
paränetisch erscheint die Geschichte vom Sabbatschänder in Num
15,32-36. Zunächst behandelt Num 15 Vorschriften für Sühnopfer und
Abgaben, insbesondere bei versehentlichen Verstößen gegen die
Gebote. Das vorsätzliche Begehen einer Verfehlung wird heftig
verurteilt: «ein solcher Mensch muss ausgemerzt werden». Offen-
sichtlich soll die folgende Geschichte die Vorsätzlichkeit illustrieren:
Mit dem Satz «als die Israeliten in der Wüste waren» wird deutlich,
dass aus viel späterer Perspektive formuliert und auf die Wüstenzeit
als paradigmatische Epoche zurückgeblickt wird. Der Beispielsfall ist
das Holzsammeln am Sabbat. Wieder wird nicht sofort das Todesurteil
gesprochen (trotz des mot-Satzes von Ex 31,15), sondern Gott selbst
verkündet den Tötungsbefehl, der auch ausgeführt wird. Als wäre
nichts Besonderes geschehen, fährt Mose mit seinen Instruktionen
(58) Vgl. GERSTENBERGER, Leviticus, 329. RUWE, Heiligkeitsgesetz, 328,
scheidet den narrativen Rahmen literarkritisch aus.
(59) Vgl. GERSTENBERGER, Leviticus, 333; ID., “Divine Threatsâ€, 47; auch
SCHULZ, Todesrecht, 94.
(60) Vgl. HUTTON, “Narrativeâ€, 162-163.