Thomas Hieke, «Das Alte Testament und die Todesstrafe», Vol. 85 (2004) 349-374
Rather than understanding the Old Testament sanction
tmwy twm ("he shall surely be put to death") as a
death penalty edict, one should see it as a parenetic warning. Comparing the
verses which contain mot yumat with the few references to death sentences
and executions, it is to be doubted whether this condemnation was indeed
applicable. The ‘death edicts’ are therefore not ‘law,’ but divine dicta
functioning as deterrents. They formulate things that should not happen under
any circumstances. Hence, they underscore the most important ethical and cultic
maxims.
Das Alte Testament und die Todesstrafe
Aus allgemeinen humanitären und/oder ausdrücklich christlichen
Gründen lehnen viele Menschen die Todesstrafe kategorisch ab. Stellt
man dann im oberflächlichen Blick auf das Alte Testament (1) fest,
dass dort von der Todesstrafe die Rede zu sein scheint, dann liegt die
Gefahr nahe, das gesamte Alte Testament, zumindest aber die betrof-
fenen Rechtssätze und das sich darauf beziehende erzählerische
Textmaterial, als blutrünstig, inhuman und mit heutiger Ethik unver-
einbar abzuurteilen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es sich bei den
einschlägigen Sätzen überhaupt um ein systematisches, durchführ-
bares und durchgeführtes Todesstrafrecht handelt und ob man sie in
der Diskussion um die Todesstrafe als Argumentationsgrundlage
heranziehen kann.
Der erste Abschnitt stellt zusammen, wo das Alte Testament die
Sanktion «der wird gewiss getötet werden» (tmwy twm) vorsieht. In
einem Intermezzo ist innezuhalten: Ist das ausführbares und ausge-
führtes Recht? Außer Zweifel dürfte stehen, dass es die Todesstrafe
gegeben hat (2). Ebenso gibt es im Alten Testament keine normativ-
ethische Reflexion über die Erlaubtheit der Todesstrafe (3). Zu
untersuchen bleibt aber, welches Verständnis den einschlägigen
alttestamentlichen Texten angemessen ist (4). Daher spürt der dritte
Teil dem nach, wo im Alten Testament von Todesrechtsprozessen und
(1) Die Bezeichnung “Altes Testament†macht deutlich, dass es um die
Rezeption der Heiligen Schrift Israels im ersten Teil der christlichen Bibel geht.
Dieser hermeneutische Standpunkt wird mit der Arbeit am hebräischen
(masoretischen) Text der BHS verbunden, da der hier ins Auge gefasste Kontext
nicht über diesen Textumfang hinausgeht.
(2) Vgl. B. LANG, “Todesstrafeâ€, Neues Bibel-Lexikon (Hrsg. M. GÖRG – B.
LANG) (Zürich 1991-2000) III, 890-893.
(3) Daher “dürfen biblische Texte, die die selbstverständliche Anwendung
dieser Strafe bezeugen, aus methodischen Gründen nicht als Argumente in die
ethische Reflexion und Begründung eingeführt werdenâ€, so M. HEIMBACH-
STEINS, “Die Todesstrafe. Ein unerledigtes Problem christlicher Sozialethikâ€,
Theologie der Gegenwart 38 (1995) 202.
(4) Vgl. die Forderung von H. SEEBASS, “Zum Sklavenrecht in Ex 21,28-32
und der Diskrepanz zwischen Ersatzrecht und Todesrechtâ€, Zeitschrift für
Altorientalische und Biblische Rechtsgeschichte 5 (1999) 184-185, nach dem
“Rationale des atl. Todesrechts zu forschen†und eine Rechtshermeneutik
anzuwenden, “die auf Verstehen, nicht auf Apologetik aus istâ€.