Peter Wick, «Jesus gegen Dionysos? Ein Beitrag zur Kontextualisierung des Johannesevangeliums», Vol. 85 (2004) 179-198
The author of the article intends to show, that not just the episode of the "miracle at Cana" (John 2,1-11), but the gospel of John as a whole disputes in an implicit way the worship of Dionysos, which was wide-spread in Syria and Palestine. Jesus is presented as the true son of god, who surpasses the god Dionysos in every way. John represents the old Jewish tradition of disputing the worship of Dionysos. This dispute implies the rejection as well as the surpassing adoption of Dionysian elements. The author of the gospel strengthens the identity of his communities, which are confronted by the Hellenistic world, by arguing as a scripture-rooted Jew within the symbolic world of the Hellenistic mainstream.
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und Weihrauch rasend gemacht hatten (3 Makk 6,21). Der Bacchus des
Euripides machte Agaue, die ihm nicht huldigen wollte, durch Raserei
gefügig und ließ sie ihren Sohn Pentheus, der sich ihm ebenfalls
entgegengestellt hatte, zerreißen (Euripides, Bacch. 1110-1139). Wenn
der Judenhaß des Ptolemäus durch das geheimnisvolle Wirken Gottes
plötzlich in tiefes Mitleid und Freundschaft umschwingt (3 Makk
6,22), dann muß man an den Dionysosverfolger Pentheus denken, der
durch den Gott mittels eines Stimmungsumschwungs dazu gebracht
wird, sich als Bacchantin zu verkleiden (Euripides, Bacch. 830-838).
Die Juden schwärmten nach erfolgter Rettung und nach dem
Anstimmen des Hallelujas aus, töteten ihre abtrünnigen Landsleute
und begingen dies mit einem Freudentag. Die Rettung feierten sie
mit Wein des Königs bei Weingelagen und errichteten am Ort
ihres Symposions eine Proseuche (3 Makk 6,30-36; 7,18-20) (31).
Schließlich befahl der König, daß ganz Ägypten den jüdischen Gott
als den höchsten Gott anerkennen soll (3 Makk 7,9). Auch der jüdische
Gott hat hier einen Siegeszug durch die hellenistische Welt gemacht.
Die genaue Datierung dieses Buches ist umstritten. Doch offen-
sichtlich machte es irgendwann einmal zwischen 100 v. und 50 n. Chr.
Sinn (32), den jüdischen Gott als Spender des Schlafes, Sender des
Wahns, Raserei einsetzenden und beim Weingelage wahre Festfreude
vermittelnden Gott dem Dionysos überbietend gegenüberzustellen (33).
Die Juden Palästinas waren vom Dionysoskult gewissermaßen
“umzingeltâ€. In einer bei Archilles Tatius (Leucippe and Clitophron
816-817) greifbaren Legende schenkt Dionysos bei Tyrus einem
Bauern den Wein. Dieser fragt den Gott: Woher, mein Freund, hast Du
so rotes Wasser? Wo hast Du so süßes Blut gefunden?†Die
Samariterin spricht in Joh 4,11: “Woher hast du dann lebendiges
Wasser?†Nach Herodot haben Phönizier den Kult dieses Gottes nach
(31) Zur Ähnlichkeit der jüdischen Weingelage mit denen des Dionysos-
freundes Ptolemäus s. a. 4,16; 5,36; 6,33.
(32) Nach J.J. COLLINS, Between Athens and Jerusalem. Jewish Identity in the
Hellenistic Diaspora (Grand Rapids MI 2000) 122-131, in Alexandrien zur Zeit
des Caligula um 40 n. Chr. entstanden.
(33) Weitere dionysische Züge des jüdischen Gottes in 3 Makk: Nachdem der
Bacchus-Verehrer Ptolemäus IV das Allerheiligste betreten hatte, züchtigte ihn
Gott, indem er ihn durchschüttelte und gelähmt auf den Boden warf (3 Makk
2,21-22). Später fesselte Gott, indem er zwei Engel sandte, durch Furcht das
feindliche Heer mit unbeweglichen Fesseln (3 Makk 6,19). Der seine Feinde im
Kampf fesselnde Dionysos begegnet in der antiken Mythologie (Nonnus,
Dionysiaka 36, 356-386).