Peter Wick, «Jesus gegen Dionysos? Ein Beitrag zur Kontextualisierung des Johannesevangeliums», Vol. 85 (2004) 179-198
The author of the article intends to show, that not just the episode of the "miracle at Cana" (John 2,1-11), but the gospel of John as a whole disputes in an implicit way the worship of Dionysos, which was wide-spread in Syria and Palestine. Jesus is presented as the true son of god, who surpasses the god Dionysos in every way. John represents the old Jewish tradition of disputing the worship of Dionysos. This dispute implies the rejection as well as the surpassing adoption of Dionysian elements. The author of the gospel strengthens the identity of his communities, which are confronted by the Hellenistic world, by arguing as a scripture-rooted Jew within the symbolic world of the Hellenistic mainstream.
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Verbindungen zugleich programmatisch die Verherrlichung Jesu durch
Kreuz und Auferstehung und damit das ganze Evangelium vorweg-
nimmt (62).
Dionysos ist der ortsungebundene, fremde Gott, der sich gerade
deshalb oft und in besonderer Weise offenbart. Es ist grundlegend, daß
seine Anhänger ihn in seiner menschlichen Form und hinter den
Partikularitäten seiner pflanzlichen und tierischen Manifestationen
erkennen. Bei Johannes haben viele Zeichenhandlungen einen
Epiphanie-Charakter. Die Anhänger Jesu sollen über das Sehen zum
Glauben und schließlich zum Glauben ohne Sehen kommen. Unter
anderem sollen sie glauben, daß der bis jetzt bei Gott verborgene, für
die Menschen fremde Logos sich nun in Christus offenbart hat,
und daß dieser das wahre Lamm und der wahre Weinstock Gottes ist.
Die parallelisierende und überbietende Gegenüberstellung von Jesus
und dionysischen Motiven scheint tatsächlich eine Argumenta-
tionsstrategie zu sein, mit der der Evangelist arbeitet und die sich wie
ein Netz über das ganze Evangelium ausbreitet. Ob mit dieser
Strategie nur gegenüber paganen Dionysosanhängern Propaganda
gemacht werden soll, oder ob sie nicht auch innerchristliche und
christlich-jüdische Ziele verfolgt, müßte eingehender untersucht
werden. Jedenfalls beeinflußt sie die inhaltliche Füllung von Freude,
Liebe und anderen Grundwerten dieses Evangeliums auch in
qualitativer Hinsicht und fördert die theologische Darstellung der
Einheit des Vaters mit dem Sohne durch dessen theophane Züge.
4. Jesus – Dionysos und die Frauen
Nun müßte nicht nur dargestellt werden, wie sich diese Strategie
zu den unzähligen Verbindungen des Johannes zu alttestamentlichen
und frühjüdischen Traditionen — wie sie in jüngster Zeit überzeugend
dargestellt wurden (63) — verhält, sondern auch dargelegt werden, wo
überall von Jesus die dionysischen Motive anders, sublimiert oder
sogar gegen den Bacchusmythos erzählt werden. Schließlich ist Jesus
kein Rasender. Nur seine Gegner behaupten, er habe einen Dämon und
sei rasend (Joh 10,20: maivnetai) (64).
(62) Vgl. BRODIE, Gospel, 172-176; LABAHN, Jesus als Lebensspender,
123-145.
(63) Besonders WENGST, Das Johannesevangelium.
(64) Dies entspricht einer polemischen Weise, über Enthusiasmus und Ekstase
zu sprechen.