Peter Wick, «Jesus gegen Dionysos? Ein Beitrag zur Kontextualisierung des Johannesevangeliums», Vol. 85 (2004) 179-198
The author of the article intends to show, that not just the episode of the "miracle at Cana" (John 2,1-11), but the gospel of John as a whole disputes in an implicit way the worship of Dionysos, which was wide-spread in Syria and Palestine. Jesus is presented as the true son of god, who surpasses the god Dionysos in every way. John represents the old Jewish tradition of disputing the worship of Dionysos. This dispute implies the rejection as well as the surpassing adoption of Dionysian elements. The author of the gospel strengthens the identity of his communities, which are confronted by the Hellenistic world, by arguing as a scripture-rooted Jew within the symbolic world of the Hellenistic mainstream.
Jesus gegen Dionysos? 191
begegnet immer wieder. In Offb 17,6 ist die Hure Babylon betrunken
von dem Blut der Heiligen. Das Blut ist der Rauschtrank. Wein wird
nicht nur im Alten Testament, sondern auch in dionysischen Legenden
als Blut der Trauben bezeichnet (Gen 49,11; Dtn 32,14; Achilles
Tatius, 2,2,4). Bacchus ist im Wein präsent, er wird in den Becher
gegossen (Ovidius, Met. 6,488: “et Bacchus in auro poniturâ€) und
getrunken und er gilt deshalb als der einzige Gott, der mit der
Weinlibation anderen Göttern geopfert beziehungsweise zum Trank
gespendet wird. Dadurch haben die Menschen Anteil an den guten
Gaben der Götter (Euripides, Bacch. 284-285). Der Wein ist
gewissermaßen sein Blut (52). Bei Euripides (Bacch. 135) trinkt
Dionysos selbst Blut und ißt rohes Fleisch. Die harte Rede vom
“Fleisch kauenâ€, das notwendig ist, um am Heil Jesu Anteil zu haben,
kann durchaus Assoziationen an das Essen von rohem Fleisch
(Omophagie) zerrissener Tiere (Sparagmos) wecken, wie es von den
Anhängerinnen des Dionysos überliefert worden ist (53).
In der Mythologie ist Bacchus immer ein wenigstens graduell
leidensfähiger Gott. Oft läßt sich Dionysos gefangennehmen
(Euripides, Bacch. 434-442; Ovidius, Met. 3,605-635). Aber es gibt
auch den Mythos, daß das Dionysoskind beim Spielen mit einem
Spiegel von den Titanen getötet worden ist und in Teile zerlegt
wurde (54), oder von Dionysos als der Vegetationsgottheit, die stirbt
und zu neuem Leben kommt (55). Auch wenn ein eigentlicher
(52) So D. OBBINK, “Dionysus Poured Out: Ancient and Modern Theories of
Sacrifice and Cultural Formationâ€, Masks of Dionysus, 65-86, 78-79, der
allerdings darauf hinweist, daß der als Blut dieses Gottes getrunkene Wein nicht
zugleich mit der Vorstellung verbunden sein muß, daß dieser Gott dafür geopfert
worden wäre (s. auch S. 83-84).
(53) Euripides, Bacch. 735. Der Tod durch Sparagmos des Pentheus wird als
Opfer bezeichnet (Euripides, Bacch. 1246-1247). Zum Problem der Omophagie s.
OBBINK, “Dionysusâ€, 68-72, der davon ausgeht, daß Omophagie — wenn
überhaupt — nur sehr selten praktiziert worden ist. Zum kultischen Blutgenuß
von Dionysosanhängern s. MARGALITH, “Kelabimâ€, 230 (vgl. Lukian 4,15,51-52).
(54) Zur philosophischen Rezeption dieser Tradition s. Plutarch, De E apud
Delphos 9,388F-389B: Dieser Mythos symbolisiert bei den Stoikern die zyklische
Selbstverwandlung Gottes von dem reinen göttlichen Feuer in die wechselhafte
Vielheit der Welt; die dionysische Kraft symbolisiert die Bewegung hin zur
Vielheit der Teile, die apollinische diejenige zur Einheit im Feuer. Zur Aufnahme
dieser Tradition durch Paulus s. 1 Kor 13,9-12 (vgl. R. SEAFORD, “In the Mirror
of Dionysosâ€, The Sacred and the Feminine in Ancient Greece [Hrsg. S.
BLUNDELL – M. WILLIAMSON] [New York 1998] 140-141).
(55) Nach DILLON, “Dionysusâ€, 201 wurde Dionysos in Phrygien als Diounisis
verehrt, eine Vegetationsgottheit, die starb und auferstand.