Martin Rösel, «Wie einer vom Propheten zum Verführer wurde. Tradition und Rezeption der Bileamgestalt», Vol. 80 (1999) 506-524
The article attempts for the first time to trace the tradition of the seer Balaam (Num 2224) with the aid of questions asked by reception history. In contradistinction to previous works it becomes clear in this way that the differing positive or negative presentation of the figure of Balaam in texts dependent on Num 2224 can be explained above all by the attitude of the relevant recipient to the problem of the foreign in relation to the people of God. It becomes apparent that the method of reception history presents a significant supplement to exegetic tools, that makes possible fresh historical insights into the content and effect of biblical texts.
te Num 2224 gegeben: Balak hatte Böses mit Israel vor, aber Bileam hat ihm passend darauf geantwortet und das Volk bewahrt. Bileam steht hier in einer Reihe mit Mose, Aaron und Mirjam (6,4); gewiß nicht zufällig, waren diese doch mit Abraham die einzigen als Propheten bezeichneten Gestalten vor Bileam. Interessanterweise ist hier die Perspektive gegen Israel gerichtet, mit dem der Herr einen Rechtsstreit hat. Im Zuge dieser Auseinandersetzung wird an die Werkzeuge Gottes zum Heil Israels erinnert. Die Mosezeit bis zur Landnahme erscheint hier als goldenes Zeitalter; der Fremde Bileam gehört zu den substantiell wichtigen Heilstaten JHWHs (hwhy twqdc).
Die anderen Belegstellen für Bileam stellen ihn deutlich negativ dar: In Dtn 23,4-6 wird an Bileam erinnert, der gedungen wurde, um Israel zu verfluchen. Was wir bisher nicht wußten: Bileam hat, so Dtn 23, tatsächlich Israel verflucht, aber Gott hat seinen Fluch in Segen verwandelt. Es ist auch hier wieder bezeichnend, in welchem größeren Zusammenhang die Notiz zu finden ist: Es geht in Dtn 23,1-8 um die Bewertung fremder Völker, um die Frage, Angehörige welcher Völker in die Gemeinde Israels aufgenommen werden. Die Ammoniter und Moabiter dürfen keinesfalls aufgenommen werden, weil sie bei der Wüstenwanderung Israel behindert haben36. Bileam gerät hier also in den Sog der Verurteilung dieser Völker hinein. Anders gesagt: Das negative Urteil, das den fremden Völkern gilt, bestimmt auch die Wahrnehmung der Bileam-Tradition. Nun wird offenbar wichtig, daß Bileam selbst Fremdling war. Da er mit den Moabitern gemeinsame Sache machte, muß folglich auch er schlechte Absichten gehabt haben. In beinahe wörtlicher Übereinstimmung findet sich dieses Urteil über Bileam auch innerhalb des Geschichtsrückblicks in Jos 24,9-10.
Im Josuabuch findet sich noch eine weitere Erwähnung Bileams. In 13,22 wird nur mitgeteilt, daß Bileam zusammen mit den Amoritern und Midianitern umgebracht wurde. Seine Schuld bestand offenbar nur darin, daß er Wahrsager war, denn, so Dtn 18,12: "wer das tut, der ist dem HERRN ein Greuel, und um solcher Greuel willen vertreibt der HERR, dein Gott, die Völker vor dir". Hier ist an das Orakel in Num 23,23 zu erinnern, wonach es in oder gegen Israel keine Wahrsagerei