Martin Rösel, «Wie einer vom Propheten zum Verführer wurde. Tradition und Rezeption der Bileamgestalt», Vol. 80 (1999) 506-524
The article attempts for the first time to trace the tradition of the seer Balaam (Num 2224) with the aid of questions asked by reception history. In contradistinction to previous works it becomes clear in this way that the differing positive or negative presentation of the figure of Balaam in texts dependent on Num 2224 can be explained above all by the attitude of the relevant recipient to the problem of the foreign in relation to the people of God. It becomes apparent that the method of reception history presents a significant supplement to exegetic tools, that makes possible fresh historical insights into the content and effect of biblical texts.
Die messianische Interpretation von Num 24,17 ist spätestens seit der Septuaginta-Übersetzung üblich geworden, wo es anders als im hebräischen Text heißt, daß nicht ein Stab aus Israel hervorgeht, sondern ein Mensch, der nicht Moabs Schläfen, sondern die Führer schlägt44. Damit war eine ganz neue Linie der Bileam-Interpretation eröffnet worden, für die LXX und 4Q175 nur die ersten greifbaren Tradenten sind. Ähnliches gilt für die ebenfalls vorchristlichen Testamente der Patriarchen, in denen erneut Num 24,17ff. ohne Nennung des Namens Bileams zitiert wird (TestJud 24,1)45. Damit kann eine neue Möglichkeit des Umgangs mit der Bileamtradition markiert werden: Seine Botschaft wird zwar wahrgenommen, der fremdländische Bote jedoch muß dahinter zurücktreten. Dies ist an der Numeri-Septuaginta besonders deutlich abzulesen, da Bileam in Num 2224 (LXX) in ein wesentlich unfreundlicheres Licht gesetzt wird als im hebräischen Text46.
Die Richtigkeit der eben vorgetragenen Interpretation belegen auch die Werke des etwas später schreibenden Philo von Alexandrien47. Er müht sich, veranlaßt von Gen 12,3, mit der Frage ab, wie denn ein Fremder, der noch dazu die Israeliten zum Abfall bewegte, gleichzeitig Prophet sein kann. Das theologische Problem für Philo bestand darin, daß nach der Verheißung Gen 12,1-3 die gesegnet sind, die Israel segnen. Bileam aber scheint offenbar die Ausnahme von dieser Regel zu sein. Zwar erkennt Philo ausdrücklich an, daß Bileam "den ehrwürdigsten aller Gesänge" verfaßt habe (De migr. Abr. 113), doch weil er sich mit den Feinden verband, ist er gottlos und verflucht,