Burkard Zapff, «Sir 38,1-15 als Beispiel der Verknüpfung von Tradition und Innovation bei Jesus Sirach.», Vol. 92 (2011) 347-367
Si 38,1-15 illustrates how Sirach understands the initially disputed institution of the Hellenistic physician. Against the background of traditional Old Testament beliefs and some Stoic concepts of world order, medicine is seen as part of God’s work of salvation. Rejecting it would even amount to a sin. The Hebrew text of Sirach is astonishingly universalistic. There, the physician’s work is similar to that of Moses, and the physician’s prayer, either Hebrew of Hellenistic, is addressed to the one God. By contrast, the Greek text is more traditional, and presents a more negative view of the physician.
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Die Parallelisierung des Arztes mit dem Salbenmischer, dem
in V. 7, dient ebenso der Aufwertung des Arztes. Denn im
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Unterschied zum Arzt erfreute sich der Salbenmischer — worunter
übrigens nicht ein früher Apotheker zu verstehen ist! 40 — hoher
Wertschätzung. Im Grund wirkt er ähnlich wie der Arzt, dienen
doch seine Salben ebenso dem Wohlbefinden und Heil des Men-
schen. So wurden seine ebenfalls aus Pflanzen gewonnenen Pro-
dukte für Kult und Kosmetik verwendet. Lührmann fasst die
Argumentation Sirachs deshalb folgendermaßen zusammen: “Gibt
es gegenüber dem Salbenmischer keine religiösen Vorbehalte,
warum dann solche gegenüber dem Arzt?†41.
4. Patient, Arzt und Gott: eine Verhältnisbestimmung (VV. 9-14)
Der zweite Abschnitt VV. 9-14 gliedert sich in zwei Teile. VV.
9-11 betreffen den religiösen Bereich und sehen als Voraussetzung
der körperlichen Heilung eine vorherige Heilung des Verhältnisses
zu Gott. In VV. 12-14 wird im Anschluss die Frage geklärt, in-
wiefern die Hinzuziehung eines Arztes zum Gottesverhältnis nicht
in Konkurrenz tritt, sondern gerade der Hoffnung auf das Heils-
wirken Gottes entspricht.
VV. 9-11 folgt einem Dreischritt: V. 9 Hinwendung zu Gott, V.
10 Abwendung vom Bösen in Tat und Intention und V. 11 aktives
kultisches Handeln, das Sühne bewirkt. Dieses Verhalten folgt also
durchaus traditionellem Denken, das die Ursache der Krankheit in
einem gestörten Gottesverhältnis sucht 42, bzw. Gott als den einzi-
gen betrachtet, der heilen kann. Ausdrücklich formuliert dies V. 9
und zwar mit Betonung: “denn er wird heilen†)pry )wh yk. Damit
aber wird jede Konsultation des Arztes diesem Grundsatz unter-
stellt, der wiederum gedanklich von Ex 15,26 geleitet ist. Interes-
sant ist nun vor allem, wie die Heranziehung des Arztes hier
nochmals begründet wird. Wiederum greift Sirach in V. 12b das
wichtige Stichwort Krwc “Bedarf â€/ “Notwendigkeit†auf, dem wir
bereits in V. 1a begegnet sind. Nun ist der Zeitpunkt gekommen,
an dem sich gegenüber V. 1 die Notwendigkeit des Arztes erweist,
40
So mit Recht LÜHRMANN, Arzt, 63. Er weist darauf hin, dass der Sal-
benmischer der Anfertigung von Luxusartikeln diente. So begegnet er in Ex
30,22-28; 37,29 und Koh 10,1, wo er Salböl und Räucherwerk bereitet.
41
LÜHRMANN, Arzt, 64.
42
Vgl. z.B. Ps 32,1-5.