Burkard Zapff, «Sir 38,1-15 als Beispiel der Verknüpfung von Tradition und Innovation bei Jesus Sirach.», Vol. 92 (2011) 347-367
Si 38,1-15 illustrates how Sirach understands the initially disputed institution of the Hellenistic physician. Against the background of traditional Old Testament beliefs and some Stoic concepts of world order, medicine is seen as part of God’s work of salvation. Rejecting it would even amount to a sin. The Hebrew text of Sirach is astonishingly universalistic. There, the physician’s work is similar to that of Moses, and the physician’s prayer, either Hebrew of Hellenistic, is addressed to the one God. By contrast, the Greek text is more traditional, and presents a more negative view of the physician.
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zur Erde nieder, um vor dem Höchsten anzubeten, dem Heiligen
Israelsâ€. “Die kultische Versammlung um den Hohenpriesterâ€, so
schreibt Marböck, ist hier “Repräsentantin der Menschheit, ja
vielleicht sogar der ganzen Schöpfung†49. Dabei greift Sirach inter-
essanterweise auf Jes 66,23 zurück, wo am Ende der Zeiten die
gesamte verbliebene Menschheit zur Jhwh-Verehrung findet. Da es
sich hier nun jedoch nicht wie in der Bezugsstelle um eine Beschrei-
bung der Endzeit handelt, soll damit offenbar zum Ausdruck kom-
men, dass nicht nur die Tempelliturgie höchster Ausdruck des
Gebetes der Menschheit ist, sondern alle Gebete der Menschheit
letztlich hingeordnet sind auf den Gott Israels. Vor diesem Hinter-
grund wäre es kein großes Problem, auch das Gebet des Arztes,
mag er auch ein nichtjüdischer Arzt sein, diesem Gebet zuzuordnen,
womit sich in der Theologie Sirachs ein erstaunlicher Universalis-
mus offenbaren würde, der, wie gezeigt, seine Grundlage in seinem
beschriebenen, von stoischem Gedankengut beeinflussten Weltord-
nungsdenken findet.
So gelingt es Sirach unter Rückgriff auf die eigene Tradition das
heilende Handeln und fürbittende Gebet des Arztes in Analogie zum
Handeln der großen Gestalt des Mose zu setzen. Zugleich ordnet er
ihn vor dem Hintergrund seines von stoischer Philosophie geprägten
Weltordnungsdenkens in die von Gott zum Wohl des Menschen
gestaltete Schöpfungsordnung ein. Da es nur einen Gott gibt, kann
dabei sogar das Gebet eines möglicherweise heidnischen Arztes letz-
tlich nur dem einen Gott, nämlich dem Gott Israels gelten.
Welch eine souveräne Theologie wird hier in einer konkreten
Frage des alltäglichen Lebens entfaltet.
Burkard ZAPFF
49
MARBÖCK, Simon, 222.