Stephan Lauber, «Das Buch Maleachi als literarische Fortschreibung von Sacharja? Eine Stichprobe», Vol. 88 (2007) 214-221
Die These von E. Bosshard – R.G. Kratz und O.H. Steck, die in Mal 2,17-3,5 + 3,13-21 eine rein redaktionelle Fortschreibung von Sach sehen, beruht auf dem Nachweis intertextueller Bezüge und thematischer Strukturparallelen. Am Beispiel der Perikope Mal 3,13-21 soll gezeigt werden, daß einerseits die dafür beanspruchten Belege einen zu allgemeinen Charakter haben, um eine konkrete Intertextualität erweisen zu können, andererseits das spezifische Gattungsformular der Redeeinheit von Mal einen literarischen Zusammenhang mit Sach äußerst unwahrscheinlich macht.
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Auffassung keinerlei ursprünglich selbständige Einzelworte eines Propheten
zugrunde — es hat einen rein schriftgelehrten Charakter (8).
Dabei werden drei Wachstumsphasen unterschieden:
1. Die Grundschicht (9) Mal I in 1,2-5 + 1,6–2,9* + 3,6-12 zeichne sich
durch einen parallelen Aufbau von Priester– (1,6–2,9*) und Volksteil (3,6-
12) aus und weise verschiedene Aufnahmen von Formulierungen aus Hag
und Sach 1,7-8 (außerdem auch aus Hos) auf, die sie als literarische
Fortschreibung dieses Komplexes erscheinen lassen (10). Motiviert sei die
Fortschreibung in Mal I wohl durch die Mangelerfahrungen der nachex-
ilischen Tempelgemeinde, die als Widerspruch zu den in Hag und Sach 1–8
mit dem Tempelbau verknüpften Heilserwartungen begriffen worden seien.
Die Redaktionsschicht antworte darauf mit der These, daß der ausbleibende
Segen “in Vergehen gegen kultische Vorschriften gründet, die sich Priester
(1,6–2,9) und Volk (3,6-12) trotz erwiesener Liebe Jahwes (1,2-5) bis zur
Stunde zuschulden kommen lassen†(11).
2. Der ersten Überarbeitungsschicht Mal II werden die parallel
aufgebauten und inhaltlich durch Hinweise auf einen innergemeindlichen
Antagonismus gekennzeichneten Perikopen 2,17–3,5 + 3,13-21 zugewiesen.
Diese Schicht sei durch intertextuelle Bezüge mit verschiedenen Stellen in
Sach 1-8 und im Dodekapropheton verbunden, anders als Mal I nun aber auch
mit Sach 9-14 (12). Für Bosshard – Kratz findet sich nämlich in Sach 13,8-9 +
Mal I + Mal II eine analoge (an Jes 66 orientierte, zugleich aber darüber
hinausweisende) (13) thematische Abfolge zu der in Sach 14, und zwar in Sach
13,8-9 + Mal I + Mal II: Scheidung/ Läuterung — kultische Vergehen des
übriggebliebenen Rests — Gerichtsandrohung — Scheidung/ Läuterung, in
Sach 14: Gericht quer durch Jerusalem und die Völker hindurch (V. 1-15) —
Zug der übriggebliebenen Völker zum Kult nach Jerusalem (V. 16) —
Gerichtsandrohung für diejenigen, die nicht mit hinaufziehen (Regen- bzw.
Segensentzug, V. 17) — Gleichsetzung des Segensentzugs mit dem Gericht
gegen die Völker wie zu Beginn (V. 18f; vgl. V. 18ba mit V. 12aa) (14). Nach
diesem Modell ist das (an Sach 13,9 angeschlossene) Kapitel Sach 14 Vorlage
für die Neuakzentuierung von Sach 13,8-9 + Mal I durch die
Überarbeitungsschicht Mal II, wobei Sach 14 und Mal II derselben
Fortschreibung angehören sollen. Dagegen sieht STECK in Sach 14 und Mal II
(8) Vgl. BOSSHARD – KRATZ, “Maleachi im Zwölfprophetenbuchâ€, 31-32. Ebenfalls als
reine Schriftprophetie, aber aufgrund der Annahme ganz anderer intertextueller Bezüge
versteht das Buch etwa auch H. UTZSCHNEIDER, Künder oder Schreiber? Eine These zum
Problem der “Schriftprophetie†auf Grund von Maleachi 1,6–2,9 (BEAT 19; Frankfurt a.
M. 1989); DERS., “Die Schriftprophetie und die Frage nach dem Ende der Prophetie.
Überlegungen anhand von Mal 1,6–2,16â€, ZAW 104 (1992) 377-394.
(9) Vgl. BOSSHARD – KRATZ, “Maleachi im Zwölfprophetenbuchâ€, 29-37; STECK, Der
Abschluß der Prophetie im Alten Testament, 33-35.
(10) Vgl. in diesem Sinn bereits W. RUDOLPH, Haggai – Sacharja 1–8 – Sacharja 9–14
– Maleachi (KAT 13.4; Gütersloh 1976) 253.
(11) STECK, Der Abschluß der Prophetie im Alten Testament, 33.
(12) Vgl. zum Wachstumsprozeß Sach 9,1-10 + 10,3–11,3 + 11,4–13,9 STECK, Der
Abschluß der Prophetie im Alten Testament, 35-43; außerdem etwa B.M. ZAPFF,
Schriftgelehrte Prophetie – Jes 13 und die Komposition des Jesajabuches. Ein Beitrag zur
Erforschung der Redaktionsgeschichte des Jesajabuches (fzb 74; Würzburg 1995) 99-100.
(13) Vgl. BOSSHARD – KRATZ, “Maleachi im Zwölfprophetenbuchâ€, 44-45.
(14) Vgl. ebd., 43.