Martin Rösel, «Wie einer vom Propheten zum Verführer wurde. Tradition und Rezeption der Bileamgestalt», Vol. 80 (1999) 506-524
The article attempts for the first time to trace the tradition of the seer Balaam (Num 2224) with the aid of questions asked by reception history. In contradistinction to previous works it becomes clear in this way that the differing positive or negative presentation of the figure of Balaam in texts dependent on Num 2224 can be explained above all by the attitude of the relevant recipient to the problem of the foreign in relation to the people of God. It becomes apparent that the method of reception history presents a significant supplement to exegetic tools, that makes possible fresh historical insights into the content and effect of biblical texts.
biblischen Angaben immerhin ca. 500 km entfernt am Euphrat lebt11, soll kommen und im Auftrag Balaks das Volk verfluchen. Doch Bileam sucht in der Nacht ein Orakel Gottes, in dem ihm mitgeteilt wird, daß er nicht mit den Boten gehen soll, weil Israel ein gesegnetes Volk sei. Es fällt auf, daß sich der fremdländische Seher, der im Land der Götter Assur oder Ischtar lebt, an den Gott Israels wendet und ihm offenbar gehorcht; die Abgesandten Balaks müssen ohne Bileam zurückkehren.
Ein zweites Mal werden Boten geschickt, mit noch üppigerem Wahrsagerlohn. Doch wieder sagt Bileam, daß er nichts tun könne ohne einen Auftrag JHWHs, des Herrn (22,19). Diesmal jedoch wird ihm erlaubt, mit den Boten zu gehen. Im Ablauf des Geschehens wird aber nun derselbe Gott, der eben noch erlaubt hat, daß der Seher mit den Boten zieht, zornig und schickt seinen Engel, um Bileams Weg zu verstellen (Num 22,22-35). Doch nur die Eselin erkennt den Engel und scheut. Bileam, der von Gott gesandte Prophet, erkennt nichts, bis Gott ihm die Augen öffnet und ihm einschärft, daß er nichts weissagen möge außer dem, was Gott ihm eingegeben habe.
Diese Einschränkung wiederholt Bileam auch, als er dem König Balak begegnet (22,38), dann erst ist er bereit zur Konfrontation mit Israel. Diese geschieht offenbar so, daß Bileam und Balak von der Höhe der Berge des Jordangrabens herab auf das Land Israel schauen. Nach feierlichen Opfern soll nun der Seher sein Werk ausführen. Doch statt die Israeliten zu verfluchen, segnet er sie. Dies geschieht in vier poetischen Spruchreden. In der ersten wird Israel als Volk bezeichnet, das abgesondert von den anderen Völkern wohnt (23,9). Der zweite Spruch preist Israel als Volk, das einem Löwen gleich ist (23,24, vgl. Gen 49,9). Diese Prädikation steht auch im dritten Spruch, der mit dem