Florian Kreuzer, «Der Antagonist: Der Satan in der Hebräischen Bibel – eine bekannte Größe?», Vol. 86 (2005) 536-544
Considering the figure of N+#) in the Hebrew Bible, the attempt to reconstruct a
figure which already existed in the imaginary world of Ancient Israel in biblical
times must fail. Zech 3 and Job 1-2 obstruct the development of a precise image
out of YHWH’s environment. The texts achieve that by their inherent vagueness
of description. For this reason the antagonistic element necessary for the dramatic
plot of both texts does not consist in an already existing, known being. It is
rather named by the abstract term ‘the opponent’, in Hebrew "N+#)".
Der Antagonist
Der Satan in der Hebräischen Bibel – eine bekannte Größe?
Die drei monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam
kennen alle die Figur des Satans. Den Namen entnahmen sie der Hebräischen
Bibel. Dort begegnet ˆfçh (masoretische Vokalisation: ha¢¢Ët≥Ën) nur in zwei
kurzen Passagen (Sach 3,1-2; Ijob 1–2). Verschiedene Autoren versuchten,
hieraus die Rolle der Figur im AT zu rekonstruieren (1). Es ist jedoch nicht
notwendig, die Vorstellung eines bekannten Wesens hinter den beiden Texten
zu vermuten. Eine sprachliche und textliche Analyse legt sogar nahe, dass die
Hebräische Bibel ˆfçh als unbekannte, nur literarische Figur einführt.
1. Drei Grundentscheidungen zur Etymologie von ˆfçh
Zur etymologischen Einordnung von ˆfçh sind drei grundsätzliche
Alternativen denkbar: (1) Bei ˆfçh handelt es sich um ein aus dem Umfeld
Israels übernommenes Fremdwort. (2) Bei ˆfçh handelt es sich um eine mit
Hilfe des Suffix –Ën nominalisierte und mit dem Artikel determinierte
schwache Wurzel. (3) Bei ˆfçh handelt es sich um das determinierte Nomen
zur Wurzel ˆfç.
(1) Bei ˆfçh könnte es sich um ein aus dem Umfeld Israels als Fremd-
wort entlehntes vierradikaliges undeterminiertes oder dreiradikaliges
determiniertes Primärnomen handeln. Eine entsprechende Wurzel in anderen
semitischen Sprachen ist jedoch nicht bekannt (2), bzw. handelt es sich bei den
Belegen von ¢t≤n in den Targumim, im Mittelhebräischen, Syrischen, Man-
däischen, Äthiopischen und Arabischen um Entlehnungen aus dem
Hebräischen (3).
(2) Gehörte das n nicht zur Wurzel, wäre von einem schwachen Verb
auszugehen. An in der Hebräischen Bibel belegten Wurzeln kämen fwç (¢wt≤ –
“abweichen†oder Ï€wt≤ (4) – “umherstreifen†bzw. “verachtenâ€) und hfç (¢t≤h –
“abweichenâ€) in Frage. An eine solche Wurzel wäre das Suffix –Ën
getreten (5). Im Hebräischen ist –Ën jedoch als –˛n realisiert. Die wenigen (!)
(1) Vgl. P.L. DAY, An Adversary in Heaven. ¢Ët≤Ën in the Hebrew Bible (HSM 43;
Atlanta 1988) 3-14 und K. NIELSEN, Satan – the Prodigal Son? A Family Problem in the
Bible (Sheffield 1998) 52-56.
(2) Vgl. P.L. DAY – C. BREYTENBACH, “Satanâ€, Dictionary of Deities and Demons in
the Bible (Hrsg. K. V. D. TOORN – B. BECKING – P.W. V. D. HORST) (Leiden – Boston – Köln
1999) 726.
2
(3) Vgl. K. NIELSEN, “ˆf;c;â€, TWAT VII, 746. Auf eine phonetische Anbindung zu
ägyptisch ¢dnj verweist M. GÖRG, Der “Satan†– der “Vollstrecker†Gottes?, BN 82
(1996) 9-12. Es wird jedoch nicht gezeigt, inwieweit die daraus gewonnene Interpretation
von ˆfçh als Vollstrecker des Willens Gottes den Schilderungen in Sach und Ijob entspricht.
(4) jyç in Jes 28,15 wäre — auch wenn kein Schreibfehler vorliegt (πfwç fwç in Jes
28,18 macht dies wahrscheinlich) — ebenso wie ttç (Jos 23,13) zu einer Wurzel fwç zu
stellen.
(5) Vgl. H. BAUER – P. LEANDER, Historische Grammatik der hebräischen Sprache des
Alten Testamentes (Halle 1922 = Hildesheim – Zürich – New York 1991) I, 500 (§ 61 tq).