Markus Zehnder, «Exegetische Beobachtungen zu den David-Jonathan-Geschichten», Vol. 79 (1998) 153-179
This article presents a compelling discussion of the texts which S. Schroer and T. Staubli claim to show a homosexual relationship between David and Jonathan. Through the study of vocabulary and narrative the author points out weaknesses in their argumentation and shows that theirs is not the only, or the most plausible, interpretation.
Ereignissen ihre jetzige literarische Form gefunden haben, lässt sich keineswegs ausschliessen, dass die in Lev 18 und 20 enthaltenen Bestimmungen der Sache nach nicht schon vorher in Geltung standen 57. Dass eine solche Vermutung tatsächlich naheliegt, ist aus den folgenden beiden Beobachtungen zu schliessen: Zum einen fehlt ausserhalb der David-Jonathan-Geschichten jeder positive Hinweis darauf, dass in der Geschichte der Jhwh-Religion je eine andere, zustimmende Einstellung gegenüber homosexuellem Verhalten vorhanden war. Auch wenn man dem Gedanken, dass die Aufnahme des Verbotes homosexueller Handlungen in Lev als Hinweis darauf gedeutet werden könnte, dass solche Handlungen tatsächlich vorkamen 58, zustimmt, folgt daraus noch nicht, dass solche Handlungen je in Übereinstimmung mit der offiziellen Jhwh-Religion gestanden wären. Viel wahrscheinlicher ist, dass die das Sexualverhalten grundsätzlich regelnden Vorschriften nicht nur zum frühen Grundbestand der Jhwh-Religion, sondern - wenn man die Herausbildung der Jhwh-Religion erst in einer späteren Phase der Geschichte derjenigen Grösse ansetzt, die später als "Israel" bezeichnet wurde - auch in eine frühe Phase der Geschichte des späteren "Israel" gehört 59. Zum anderen wird die Akzeptanz einer eintägigen Abwesenheit, wie sie im Verhalten Sauls gegenüber David in 1 Sam 20,26 zum Ausdruck kommt, mit dem Hinweis auf eine mögliche eintägige Unreinheit Davids begründet. Diese Begründung verweist aber unmittelbar auf die Reinheitsbestimmungen in Lev 7,20f. und 15,16-18 als wahrscheinlichsten Verstehenshintergrund 60. Damit liegt aber ein positiver Hinweis dafür vor, dass die Gesetzesbestimmungen des Heiligkeitsgesetzes wenigstens zum Teil - wenn auch nicht in der kodifizierten Formulierung, so doch der Sache nach - zur Zeit Davids oder zur Zeit der Abfassung oder Redaktion der Aufstiegsgeschichte Davids bekannt gewesen sein müssen.