Markus Zehnder, «Exegetische Beobachtungen zu den David-Jonathan-Geschichten», Vol. 79 (1998) 153-179
This article presents a compelling discussion of the texts which S. Schroer and T. Staubli claim to show a homosexual relationship between David and Jonathan. Through the study of vocabulary and narrative the author points out weaknesses in their argumentation and shows that theirs is not the only, or the most plausible, interpretation.
Gruppe sind diejenigen Schwüre, bei denen einer bestimmten Person das Thronfolgerecht zugesichert wird 33. Dieser in doppelter Hinsicht umschriebene Bezugshorizont bildet den Rahmen, innerhalb dessen die Schwüre in 1 Sam 20 eingebettet sind; und tatsächlich lässt sich feststellen, dass dieser doppelte politische Bezug auf die Vorgänge zwischen Jonathan und David in 1 Sam 20 ohne weiteres anwendbar ist. Dies um so mehr, als sowohl die Zusage der Verschonung des Lebens als auch die Zusage der Thronübernahme im literarischen Kontext der David-Jonathan-Geschichten mit explizitem Bezug auf David begegnen. Weiter ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Schwören zu den integralen Bestandteilen altorientalischer Vertragsschliessungen gehört 34. Von diesem Bezug her ist damit zu rechnen, dass auch die Verwendung von (b#$ auf das Vorhandensein eines gewichtigen politischen Aspektes in der Beziehung Jonathans zu David hinweist.
g) Auch eine Untersuchung der Wurzel M(n, die in 2 Sam 1,23 und 26 belegt ist, führt zu komplexeren Resultaten, als es die Ausführungen von S. Schroer und T. Staubli nahelegen. Das Adjektiv My(na "angenehm, lieblich" ist 11mal belegt, das Verb M(n "angenehm/lieblich sein" 8mal und das Substantiv M(ano "Annehmlichkeit; Freundlichkeit, Huld" 7mal; zusammengezählt ergibt das 26 Stellen. Von diesen 26 finden sich nur zwei im Hohenlied 35. Damit ist deutlich, dass die Wurzel M(n nicht als Charakteristikum der Sprache des Hohenliedes angesehen werden kann; es besteht darum auch kein Anlass, vom Vorkommen dieser Wurzel in 2 Sam 1 unmittelbar auf einen Konnex mit dem Hohenlied zu schliessen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine weitere Beobachtung: Klammert man die beiden Belege in 2 Sam 1 einmal aus, findet sich ausser im Hohenlied keine einzige Stelle, an der die Wurzel M(n in einem Bezug zu einer erotischen Beziehung steht. Von daher nötigt nichts zur Annahme, dass ein solcher Bezug in 2 Sam 1 vorliegen müsste.