Kristin Weingart, «Eine zweite Chance für Israel? Gericht und Hoffnung in Hos 3,1-5», Vol. 97 (2016) 342-359
In Hosea 3 we find a reflection on the situation of the Northern-Israelites after the destruction of Samaria. The text, except for some slight additions, was originally composed shortly after 720 BCE by Northern Israelites and is part of an early composition of Hosea-materials. The fall of the Northern Kingdom is caused by the crimes denounced by Hosea and brought about by the divine judgment he had announced. The events therefore confirm Hosea’s prediction. Israel’s punishment is interpreted as an educational trial meant to make Israel return to YHWH. Hence, there is hope for restoration and a better future after the judgment.
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wenn 3,1-5 ebenfalls Hosea *1–2 voraussetzt (was weitgehend unbe-
stritten ist), ergibt sich, dass auch hier bereits ältere Texte vorgelegen
haben müssen und dass bereits relativ zeitnah zu den Ereignissen
von 720 ein größerer literarischer Zusammenhang gegeben war, der
mit wenigen späteren Ergänzungen im Hoseabuch mündete.
Bewährt sich die oben skizzierte Datierung, sind mit den larfy ynb
Nord-Israeliten in der Zeit nach 720 angesprochen, für die die wohl
ebenfalls nord-israelitischen Verfasser die Hoffnung auf eine Restitution
der zerstörten politischen und kultischen Institutionen des Nordreiches
noch nicht aufgegeben haben, sie vielmehr in den älteren Hoseatexten
begründet fanden. wolfgang Schütte hat für weite Teile des späteren Ho-
seabuches nord-israelitische Verfasser und Tradenten im judäischen Exil
vorgeschlagen, die für eine schrittweise Aktualisierung und Zusammen-
stellung älteren Hoseamaterials und letztlich auch für seinen Eingang in
den judäischen Traditionsstrom verantwortlich gewesen seien 76.
Historisch spricht sicherlich einiges dafür, am Ende des 8. Jh.s eine Über-
siedlung von Nord-Israeliten, insbesondere nord-israelitischer Eliten
nach Juda anzunehmen, auch wenn die Hosea-Texte selbst v.a. Exulan-
tengruppen bzw. Deportierte in Ägypten und Assur und nicht in Juda er-
wähnen (vgl. 7,11; 9,3; 11,11). Gleichermaßen historisch wahrscheinlich
ist aber auch, dass ein Großteil der nord-israelitischen Bevölkerung unter
der neuen Herrschaft im Land blieb 77. Insofern bleibt eine geographische
Lokalisierung der Verfasserkreise spekulativ, auch wenn die vorliegende
Analyse die nord-israelitische Perspektive, mit der Hos 3,1-5 auf die
Ereignisse im letzten Drittel des 8. Jh.s blickt, bestätigt 78. Sie schreibt
dem Gericht, das das Nordreich getroffen hat, eine pädagogische Funktion
zu und findet in dieser Deutung eine begründete Hoffnung auf eine zweite
chance, d.h. einen Neuanfang Israels mit seinem Gott.
76 ScHÜTTE, “Entstehung”; Hos 3,1-5 datiert er allerdings ein eine spätere Zeit,
d.h. die Epoche Manasses (S. 222).
77 An der grundsätzlichen Plausibilität der Annahme einer Bewegung von
Nord-Israeliten nach Juda ändert auch die Debatte um deren Größenordnung
nichts, die gegenwärtig v.a. von Nadav Na’aman und Israel Finkelstein geführt
wird, vgl. die aktuellesten Beiträge aus einer längeren Diskussion: N. NA’AMAN,
“Dismissing the Myth of a Flood of Israelite Refugees in the Late Eighth century
BcE”, ZAW 126 (2014) 1-14; I. FINKELSTEIN, “Migration of Israelites into Judah
after 720 BcE: An Answer and an Update”, ZAW 127 (2015) 118-206.
78 Einen Reflex einer judäischen Deutung der Ereignisse am Ende des 8. Jh.s fin-
det sich in Hosea 13, dazu K. wEINGART, “Juda als Sachwalter Israels. Geschichts-
theologie nach dem Ende des Nordreiches in Hosea 13 und Ps 78”, ZAW 127
(2015) 440-458.