Nils Neumann, «Bewegungen im Dreieck: Heil als Begegnung im erzählten Raum des lukanischen Sonderguts.», Vol. 97 (2016) 375-394
The Lukan Sondergut develops its soteriology by narrating encounters inside a triangular spatial structure. Several important pericopae make use of a recurring scheme: salvation takes place in the encounter between the sinner and Jesus/God. The Pharisees who distance themselves therefrom are called upon to learn a lesson from the sinners and to share in the joy that results from the return of the lost one.
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traut hätte 56. Sehr umfangreich ist dies in Lukas 7 der Fall, wo Jesus
dem Pharisäer in allen Einzelheiten vor Augen führt, welchen Spiel-
raum es für dessen Gastlichkeit gegenüber seinem besucher noch ge-
geben hätte (7,44-46). im Verhalten der Frau erblickt Jesus diese
zuwendung, die er beim Pharisäer vermisst. Der Pharisäer verletzt
seine Pflichten als Gastgeber zwar nicht; wohl aber übertrifft die Frau
den Simon nach der Sicht des lukanischen Jesus hinsichtlich ihrer
zugewandtheit resp. Liebe 57. So wird aus der Figur, die nach der
Einschätzung des Pharisäers als Sünderin zu meiden ist, ein Vorbild
hinsichtlich ihrer liebenden haltung gegenüber Jesus (V. 47), welche
das Schlusswort der Szene als Glauben (V. 50) qualifiziert 58. Auch
in Lukas 17 ist der Fremde (17,18: avllogenh,j; V. 16: Samari,thj) zum
Vorbild geworden. Der lukanische Jesus kontrastiert sein Verhalten ex-
plizit gegen das der Neun (V. 17): „Sind etwa nicht die zehn rein ge-
worden? Wo aber sind die Neun?“ 59 Dass diese Erzählstrategie etwas
Planvolles besitzt, macht auch die berühmte Episode vom „barmher-
zigen Samariter“ (Lk 10,33) deutlich, in der entgegen aller Erwartung
ausgerechnet der Samariter das vorbildliche Verhalten zeigt. Der
Schlusssatz dieser Passage (V. 37: poreu,ou kai. su. poi,ei o`moi,wj) ruft
dazu auf, seinem beispiel zu folgen 60. im Gleichnis vom Pharisäer und
zöllner kommentiert zunächst Jesus die Szene mit der bemerkung,
dass der zöllner — anders als der Pharisäer — gerechtfertigt den heim-
weg antritt (18,14). Darin deutet sich bereits an, dass wohl das Gebet
des zöllners von Gott her eine positive reaktion nach sich zieht,
während diese im Fall des Pharisäers ausbleibt. Dass dann aber der
Lukas-Evangelist auch noch gezielt das Q-Logion von der Selbst-
Erhöhung bzw. -Erniedrigung (vgl. Mt 23,12) an genau dieser Stelle
56
Vgl. hierzu auch W. biNDEMANN, „ungerechte als Vorbilder? Gottesreich
und Gottesrecht in den Gleichnissen vom ‚ungerechten Verwalter‘ und ‚ungerech-
ten richter‘“, ThLZ 120 (1995) 955-970.
57
Vgl. EcKEY, Lukasevangelium i, 362; WOLtEr, Lukasevangelium, 295; dif-
ferenziert dazu bOVON, Evangelium i, 394.
58
Ausdrücklich ruft der Vater im Gleichnis Lukas 15 auch den älteren Sohn
dazu auf, sich mit den positiven Aspekten im Verhalten des jüngeren auseinan-
derzusetzen. Der Aufruf zur Mitfreude (15,32; vgl. auch VV. 6.9) wirbt aber eher
für Empathie als dass er das tun des jüngeren bruders als nachahmenswert prä-
sentiert. Vgl. hierzu insbes. iNSELMANN, Freude, 259-260, 273.
59
zum Kontrast zwischen dem Samariter und den Neun in der vorliegenden
Szene vgl. insbes. auch GAiSEr, „Faith“, 294. Anhand der beobachteten Kontraste
postuliert Gaiser ein gegenläufiges Entsprechungsverhältnis zwischen den beiden
hälften des textabschnitts.
60
Vgl. dazu auch SELLiN, „Lukas“ ii, 51.