Hanna Roose, «Joh 20,30f.: Ein (un)passender Schluss? Joh 9 und 11 als primäre Verweisstellen der Schlussnotiz des Johannesevangeliums», Vol. 84 (2003) 326-343
The emphasis given the ‘signs’ in the final verses of the Gospel of John (20,30.31) has often, in the history of research, been deemed unsuitable. But such thinking overlooks the fact that the statement of the Gospel’s purpose in 20,31 is meant to call to mind especially the story of the healing of the blind man in Chapter 9 (a person comes to faith in Jesus Christ) and the story of the raising of Lazarus in Chapter 11 (a person gains [eternal] life). The particular meaning of these two miracle stories is, through their shaping and their positioning within the Gospel, underlined. Keeping this in mind, John 20,30.31 is a thoroughly suitable ending for the entire Gospel.
besondere Funktion von Joh 9 und 11 durch ihre Gestaltung und ihre Stellung im Evangelium unterstützt wird. Das lässt sich m.E. an drei Punkten nachweisen: (1) inhaltlich klingt in den beiden Wunderberichten das gesamte Wirken Jesu von Johannes dem Täufer bis zu Passion und Auferweckung an. Die Schlussnotiz liefert also indirekt durchaus eine Inhaltsangabe; (2) funktional wird der Grad an Transparenz, den Joh 9 und 11 aufweisen, durch die Zwischenschaltung der Hirtenrede weiter gesteigert; (3) kompositorisch kommt den beiden Wunderberichten eine zentrale Stellung innerhalb des Evangeliums zu. Die Schlussnotiz verweist also auf Texte, die für das Evangelium insgesamt zentral sind.
1. Inhaltlich
Joh 9 und 11 weisen einerseits zurück auf die Anfänge der Wirksamkeit Jesu, andererseits greifen sie vor auf die Erzählung von seiner Passion und Auferstehung:
"Indem der Evangelist am Ende von Kap. 10 Jesus an den Ort seines ersten Auftretens zurückkehren und ihn so nun von dem einen Betanien (1,28) zu dem anderen Betanien (11,1) kommen lässt, umgreift er dessen ganzes bisheriges Wirken und lässt es in der Auferweckung des Lazarus kulminieren"36. Auffällig ist außerdem, dass der Erzählung von der Auferweckung in 10,40-42 eine Notiz über Johannes den Täufer vorgeschaltet ist. Die Anfänge der Wirksamkeit Jesu (vgl. 1,35-40) — gleichzeitig auch seine Überlegenheit gegenüber Johannes dem Täufer37 — kommen so noch deutlicher in den Blick.
Neben Rückverweisen auf den Beginn des Evangeliums finden sich in Joh 9 und 11 auch Vorverweise auf sein Ende: In 11,53 wird der endgültige Beschluss zur Tötung Jesu gefällt. Insgesamt wird in der Abfolge von Blindenheilung und Auferweckung des Lazarus — ohne dass man hier zu stark systematisieren dürfte — die Abfolge von Prozess und Auferweckung Jesu vorweggenommen. Ich nenne hier nur einzelne Parallelen: Joh 9,8-34 ist eine Prozesserzählung, die wie Joh 18–19 szenisch und dialogisch strukturiert ist. Wenn der Geheilte sich öffentlich und ohne Furcht zu seiner Identität bekennt,