Tobias Nicklas, «Formkritik und Leserrezeption. Ein Beitrag zur Methodendiskussion am Beispiel Mk 9,14-29», Vol. 82 (2001) 496-514
The growing discussion about the methodological connections between a synchronic oriented Form-analysis and a diachronic type of Form criticism has in no way resulted in concerns lying behind both methodological approaches being resolved. On the contrary, the crisis of the classical methodological approaches can also open up a perspective on connections that have up to now been insufficiently considered. The present study attempts to demonstrate with the example of Mark 9,14-29 what methodological conclusions result for the question of reader reception from the Form-analysis of a narrative text.
Erwartungen. So wird der Leser16 z. B. die Einleitung "Es war einmal ..." mit einem "deutschen Märchen" mit all seinen für die Gattung typischen Elementen verbinden.
2. Im einzelnen "Gattungsexemplar", also dem konkreten Text, können für die Gattung konstitutive oder mögliche Motive breit oder weniger breit ausgeführt sein. Je mehr Raum der "Erzähler"17 aber einem Motiv einräumt, desto mehr Gewicht legt er auf es. Gleichzeitig lenkt er damit auch die Aufmerksamkeit des Lesers.
3. Diese Beobachtung lässt sich aber nicht einfach umkehren. Ein nur schmal ausgeführtes Motiv muss nicht unbedingt bedeuten, dass damit die Aufmerksamkeit des Lesers nur gering in Anspruch genommen wird: Entfällt z. B. ein für die Gattung wichtiges Element, so kann damit eine "Leerstelle" entstehen. Gerade Leerstellen aber zwingen den Leser zur Ergänzung, zum Ausfüllen des "Nicht-Gesagten" und involvieren ihn damit mehr und mehr in das Erzählte18.
4. Von besonderer Bedeutung aber sind auch für die Gattung "untypische" Elemente. Diese können einerseits darin bestehen, dass gattungstypische Motive an einem für sie untypischen Ort begegnen. Andererseits aber können auch Motive fremder Gattungen auftauchen. In beiden Fällen ist dann davon auszugehen, dass Lesererwartungen enttäuscht und umgelenkt werden.
II. Das Beispiel: Mk 9,14-29
Um diese theoretischen Überlegungen mit exegetischem Leben zu erfüllen, sei das Gemeinte an einem übersichtlichen Beispiel dargestellt. Die Perikope Mk 9,14-29 empfiehlt sich dabei wegen ihrer gleichzeitigen Komplexität wie Einfachheit. So spielte sie aufgrund ihrer formalen Besonderheiten bereits in der formgeschichtlichen