David Volgger, «Die Adressaten des Weisheitsbuches», Vol. 82 (2001) 153-177
This article examines the positions of scholars with regard to the addressees of the Book of Wisdom. It turns out that, generally speaking, neither ‘Pagans’ nor ‘Jews’ are the recipients of the Book of Wisdom. If Wisdom cannot be considered primarily a political work, the Book’s instruction to its addressees, ‘Kings and Rulers’, seems rather to point to a literary model in ancient Jewish texts from the 1st century B.C. to the 1st century A.D. Our knowledge of the primary recipients of the writings of Philo of Alexandria and Flavius Josephus confirms this. The themes of ‘conversion’ and ‘changing one’s approach’ give these texts, especially the Book of Wisdom, a very particular orientation. Appropriate addressees are above all pagans who are well-off and culturally involved, and who show an interest in Jewish traditions.
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Das Buch der Weish wendet sich an die Herrscher der Erde (1,1). Diese werden in ihrer Funktion als Führer ihrer Völker aufgerufen, sich der Weisheit, die der königliche Herrscher aus Israel verkündet, zu öffnen. Erste Adressaten der Botschaft von Umdenken und Umkehr sind somit die Führer der Völker. Historischer Hintergrund für diese Kommunikationssituation bilden die Königshöfe, an denen verschiedenste Gelehrte als Berater und Verwalter der Könige fungierten. Im Umkreis der Königshöfe wurde auf verschiedenste Weise kulturelles Erbe gepflogen und tradiert. Alexandria zur Zeit Philos oder Rom zur Zeit Josephus’ sind zwei Beispiele derartiger Königs- bzw. Kaiserhöfe. Der König als Eroberer fremder Völker zeigt sich zumindest in seiner Propaganda auch als Erbe der kulturellen Traditionen unterworfener Völker. Dies gilt z. B. für die ptolemäischen Könige in Alexandria, die die kulturellen Traditionen der unterworfenen ägyptischen und jüdischen Bevölkerungsteile, die in dieser Stadt zusammenwohnten, teilweise übernahmen bzw. zumindest mit einem gewissen Interesse zur Kenntnis nahmen. Wie dieser Prozeß konkret vor sich ging, läßt sich nicht mehr genau rekonstruieren.
Es ist auch kaum mehr auszumachen, für wen konkret die jüdischen Schriftsteller vom 2. Jh. v. – 1. Jh. n. Chr. ihre Werke abfaßten. Lediglich Flavius Josephus deutete in seinen Werken an, für wen er schrieb und wer ihn dabei unterstützte. Sein Mäzen namens Epaphroditus scheint ein reicher römischer, nicht-jüdischer Bürger gewesen zu sein, der an der schriftstellerischen Tätigkeit Josephus’ reges Interesse zeigte. Ob dieser Epaphroditus mit dem neronischen Kaiserhof verbunden werden kann, bleibt offen. Dennoch geht aus den Schriften hervor, welchem Ambiente die Adressaten der Schriften Josephus’ zuzurechnen sind. Es handelte sich dabei um reiche, römische Bürger, die zu den jüdischen Traditionen eine gewisse Sympathie hegten. Diese Sympathie konnte sogar soweit gehen, dass sich die Adressaten dem Kreis jüdischer Traditionsträger zurechneten.
Das Phänomen der ‘Konversion’, des ‘Umdenkens’, das in den Schriften Josephus’ und auch Philos eine nicht unbedeutende Rolle spielt, veranlaßte mich dazu, das Buch der Weish auf ähnliche Textsignale zu befragen. Tatsächlich hat die betreffende Untersuchung gezeigt, dass das Thema der meta/noia im ersten und dritten Hauptteil, der auch explizit von ‘Gegnern und Feinden’ der göttlichen Weisheit