Nils Neumann, «Bewegungen im Dreieck: Heil als Begegnung im erzählten Raum des lukanischen Sonderguts.», Vol. 97 (2016) 375-394
The Lukan Sondergut develops its soteriology by narrating encounters inside a triangular spatial structure. Several important pericopae make use of a recurring scheme: salvation takes place in the encounter between the sinner and Jesus/God. The Pharisees who distance themselves therefrom are called upon to learn a lesson from the sinners and to share in the joy that results from the return of the lost one.
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liebe für handlungsverläufe im „dramatischen Dreieck“ bereits in einer
recht einheitlich auf ihn kommenden tradition vorfindet 67. Allerdings
gibt es auch hinweise auf eine Verstärkung der narrativen charakteri-
stik durch den Evangelisten. Auf der basis der zweiquellentheorie
müssen zwei Pointen in den behandelten Szenen klar der lukanischen
redaktionstätigkeit zugeschrieben werden: Am Ende des Gleichnisses
vom Pharisäer und zöllner fügt der Evangelist mit dem Ausspruch von
Selbst-Erhöhung und -Erniedrigung (Lk 18,14) ein Q-Logion ein (vgl.
Mt 23,12), und die zachäus-Episode beschließt er mit einer typisch lu-
kanischen Variation des bei Markus vorgefundenen Jesus-Worts Mk
10,45, dessen markinischer Wortlaut an den bei Lukas zu erwartenden
Stellen (Lukas 18 oder 22,24-27) auffälligerweise fehlt. Diese beob-
achtung berechtigt zu der Annahme, dass sich die beliebtheit des „dra-
matischen Dreiecks“ im Lukasevangelium letztendlich der narrativen
und theologischen Akzentuierung durch den Evangelisten verdankt.
bemerkenswert bleibt dann jedoch die tatsache, dass sich die
räumlichen Dynamiken im dramatischen Dreieck schwerpunktmäßig
im lukanischen Sondergut finden. Wer die Einheitlichkeit der bespro-
chenen Szenen mit einer starken redaktionellen überarbeitung des
mündlichen traditionsmaterials durch den Evangelisten erklärt, muss
sich im nächsten Schritt auch der Frage stellen, weswegen Lukas die
aus Markus und Q übernommenen Stoffe nicht ebenso stark redigiere.
Entweder fällt es dem Evangelisten leichter, dem mündlichen Material
seinen individuellen Stempel aufzudrücken, oder aber er greift an den
behandelten Stellen nur in geringem Maße auf überlieferung zurück
und gestaltet schwerpunktmäßig eigenständig.
universität bern Nils NEuMANN
institut für bibelwissenschaft
Länggassstrasse 51
ch-3012 bern
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Diese Sicht mit der angenommenen Einheitlichkeit des lukanischen Son-
derguts spräche dann allerdings tendenziell für die these einer schriftlichen Son-
dergut-Quelle des Lukasevangeliums. tatsächlich hat diese these ja einige
Vertreter. Vgl. dazu u. SchNELLE, Einleitung in das Neue Testament (Göttingen
6
2007) 293-294. Die gängige Auffassung, derzufolge der Evangelist das Sondergut
aus der mündlichen tradition übernimmt, müsste hingegen mit stärker disparatem
mündlichem traditionsgut rechnen und folglich die Einheitlichkeit auf der basis
einer ausgeprägten lukanischen redaktionstätigkeit erklären.