Edgar Kellenberger, «Gottes Doppelrolle in Ijob 16», Vol. 90 (2009) 224-236
Job’s excessive plaint against his aggressive and hostile God is intertwined with his surprising confession of confidence (“Bekenntnis der Zuversicht”). It seems to be a special relationship between these two poles which are forming quasi two focuses of an ellipse. This article studies in ch. 16 (and 19) each pole and especially their interrelation in contrast to mitigating tendences in the ancient versions and the rabbinic exegesis. The mythic language of Job’s lament is compared with similar accadian literature for demonstrating both analogies and important differences. The author of the Book of Job uses especially the language of the mythic struggle against chaos (“Chaoskampf”) for his peculiar view of the dialectics in God.
Gottes Doppelrolle in Ijob 16 231
Knochen) (25), oder erst nach seinem Tod? Oder ist sein Bekenntnis gar
ironisch gemeint als Vorwurf, dass Gott für ihn zu spät kommt?
Letztere Entscheidung vertritt vor allem Köhlmoos (26); doch wird
selbst bei ihrem Verständnis die Aussage Ijobs nicht etwa
spannungslos, sondern die Spannung verlagert sich auf die literarische
Ebene der Textstrategie, insofern als die Erwartung eines göttlichen
Eingreifens sich nunmehr von (einem hoffnungslos-verzweifelt
erscheinenden) Ijob weg auf das Lese- bzw. Hör-Publikum der Ijob-
Dichtung verschiebt (27).
3. Zur gegenseitigen Bezogenheit der beiden Brennpunkte
Das in Kap. 16 und 19 beobachtete Spannungsverhältnis zwischen
exzessiver Klage und ebenso exzessiver Vertrauensäusserung ist nicht
nur innerhalb des Ijob-Buches etwas Einzigartiges, sondern ebenfalls
im Vergleich zu den Klagepsalmen. In den Psalmen begegnet das
“Bekenntnis der Zuversicht†üblicherweise erst kurz vor dem Schluss
des Gebets und lässt die vorherige Klage als überwunden erscheinen,
zumal wenn es — wie z.B. in Ps 13,6 — mit einem Lobgelübde
kombiniert wird. Und wo Vertrauensäusserungen inmitten des Gebets
begegnen, so sind sie mit den Bitten (und nicht mit der Klage wie in
Ijob 16,18b.22) (28) verbunden und als allgemeine Erfahrungen
formuliert. Darum kann es hier nicht zu einem vergleichbaren
Spannungsverhältnis kommen.
Wie wenig selbstverständlich das Zusammenspiel der beiden oben
beobachteten Brennpunkte sind, zeigt u.a. die Auslegungsgeschichte
des Ijob-Buches. Bereits die Septuaginta verschiebt im Reden-Teil das
Interesse generell weg von der exzessiven Klage hin zu einer
idealisierten Geduld Ijobs. In allen antiken Ãœbersetzungen lassen sich
Abmilderungen der Anklage Gottes beobachten, weil bei der
Wiedergabe von 16,7-14 offenbar eine blasphemische Aussage
vermieden werden soll. So ändern sie z.B. μfc “anfeinden†(V. 9) als
Haltung Gottes ab zur (wohl zeitlich begrenzt gedachten) Aktivität
(25) So kürzlich wieder IRSIGLER, “Ijobs letzte Hoffnungâ€, 177.
(26) KÖHLMOOS, Auge Gottes, 277 verneint das Vorliegen einer Hoff-
nungsaussage Ijobs; “ohne sein Fleisch†meine “jenseits des Todes, also gar
nichtâ€.
(27) KÖHLMOOS, Auge Gottes, 278.
(28) Auch 19,25-27 folgt nicht auf eine Bitte, sondern auf eine Klage. Die
zweimalige Einleitung durch die Wendung ˆty ym in V. 23 ist als Irrealis zu
verstehen.