Tobias Nicklas, «Der Text und die Texte. Berührpunkte von Textkritik, Textgeschichte und Interpretationsgeschichte am Beispiel von Ps 126», Vol. 81 (2000) 252-261
Even the examination of short and manageable sections of a text such as that of Psalm 126 shows the benefit of combining the tools of textual criticism, the history of the text and the interpretation of the text in the formulation of a question. All of these elements have become interwoven in complicated and mutually dependent links, which to a certain degree can no longer with certainty be subdivided or separated. In this context the texts from Qumran constitute a new component which must be integrated, and owing to their ancient dating, they are of crucial importance.
Auf der Ebene der Textvarianten zeigen sich für Ps 126 kaum Unterschiede zwischen 11QPsa und dem korrigierten Text von 4QPse es bleibt die Möglichkeit der Variante zwischen Mymwlx und Mymlx in V. 1. Dagegen weist der unkorrigierte Text von 4QPse durchaus deutliche Unterschiede zu dem von 11QPsa auf.
Eine Gesamtinterpretation der Textformen von Ps 126 in Qumran ist wegen des fragmentarischen Erhaltungszustandes der Manuskripte wohl nicht möglich. Von besonderer Bedeutung dürfte dabei die mögliche Variante Mymwlx (V. 1) sein. Hierzu sei nur auf W. Beyerlins Auslegung von Ps 126 hingewiesen, der seine gesamte Interpretation des Psalmes, dessen umstrittene Imperfekte in V. 2 er futurisch interpretiert, auf der semantischen Deutung des Begriffes Mymlx aufbaut32.
Vom hebräischen Psalm bis zur Vulgata
Nur als ein besonders deutliches Beispiel aus der überliefe-rungsgeschichtlichen Fülle seien zum Abschluss noch einmal die für die katholische Tradition so bedeutsamen Psalterien Iuxta LXX und Iuxta Hebraeos erwähnt. Aufgrund eines Zusammentreffens von Techniken der Übersetzung und Interpretation der eigenen Vorlage, aber auch textkritischer Probleme, müssen diese Texte völlig anders interpretiert werden als der MT. Im Gegensatz zu diesem tritt das Leitwort des "Wendens" ("Convertere") zurück, da die hebräische Figura Etymologica wie schon in der LXX nicht nachgeahmt werden kann. Auch das Motiv des "Jubels" verliert zumindest in Ps 125 Iuxta Hebraeos durch das Einsetzen des Begriffes "Laus" in V. 2 an Bedeutung.
Daneben zeigen sich nun gerade in der Syntax erhebliche Unterschiede. Die Wendung b + Infinitiv wird in der LXX mit e)n + Infinitiv wiedergegeben33, dies ahmt wiederum der Psalter Iuxta LXX nach ("In Convertendo"), während Iuxta Hebraeos mit einem temporalen Nebensatz einsetzt. Als Apodosis des ersten Satzes wird nun sowohl in der LXX, als auch in den lateinischen Psalterien V. 1bb gefaßt34. Da aber die lateinischen Verbformen im Gegensatz zu den griechischen und vor allem den hebräischen Zeitstufen repräsentieren, können die Vulgata-Texte nicht wie der MT als Vorwegnahme der im Traum offenbarten Zukunft interpretiert werden.