Nils Neumann, «Bewegungen im Dreieck: Heil als Begegnung im erzählten Raum des lukanischen Sonderguts.», Vol. 97 (2016) 375-394
The Lukan Sondergut develops its soteriology by narrating encounters inside a triangular spatial structure. Several important pericopae make use of a recurring scheme: salvation takes place in the encounter between the sinner and Jesus/God. The Pharisees who distance themselves therefrom are called upon to learn a lesson from the sinners and to share in the joy that results from the return of the lost one.
Bewegungen im Dreieck: Heil als Begegnung
im erzählten Raum des lukanischen Sonderguts 1
Nachdem sich ein narratologischer zugang zu den biblischen tex-
ten inzwischen fest in der Fachwissenschaft verankert hat, erfährt wäh-
rend der letzten Jahre auch die Kategorie des erzählten raumes 2
innerhalb der narratologischen Methodik verstärkte beachtung 3. Der
raum dient eben nicht allein dem zweck, der erzählten handlung als
Element des „Setting“ einen rahmen zu geben, sondern er erfüllt in
seiner sachlichen Verwobenheit mit den erzählten Ereignissen eine ei-
gene narrative Funktion. in diesem Sinne ist es angemessen, von einer
„raumsemantik“ zu sprechen und der Frage nachzugehen, inwieweit
die Kategorie des raumes Aufschluss über zentrale Sinnlinien einer
Erzählung zu geben vermag. Paul-Gerhard Klumbies hat in mehreren
Arbeiten die raumthematik zunächst für die Auslegung des Markus-
evangeliums fruchtbar gemacht 4. Dabei hat er nach der narrativen
bedeutung von blick- und bewegungsrichtungen 5 sowie von Nähe
1
Diesen Aufsatz widme ich meinem Lehrer Prof. Dr. Paul-Gerhard Klumbies
zu seinem 60. Geburtstag im August 2017.
2
Vgl. dazu v.a. N. WürzbAch, „Erzählter raum. Fiktionaler baustein, kultu-
reller Sinnträger, Ausdruck der Geschlechterordnung“, Erzählen und Erzähltheorie
im 20. Jahrhundert. FS W. Füger (ed. J. hELbiG) (heidelberg 2001) 105-129, pass.
3
Vgl. v.a. den Sammelband ʽImaginingʼ Biblical Worlds. Studies in Spacial,
Social and historical constructs in honor of James W. Flanagan (eds. D.M. GuNN
– P.M. McNutt) (JSOtS 359; Sheffield 2002).
4
Vgl. P.-G. KLuMbiES, Der Mythos bei Markus (bzNW 108; berlin – New
York 2001) 102-105. Vgl. ferner DErS., „Das Konzept des ‚mythischen raumes‘
im Markusevangelium“, JBTh 23 (2008) 101-121 und die ähnliche Studie DErS.,
„Das raumverständnis in der Markuspassion“, Von der Hinrichtung zur Himmel-
fahrt. Der Schluss der Jesuserzählung nach Markus und Lukas (bthSt 114; Neu-
kirchen-Vluyn 2010) 25-49. innerhalb der neutestamentlichen Wissenschaft gibt
das Markusevangelium bislang das größte betätigungsfeld für an der raumthe-
matik interessierte Exegetinnen und Exegeten ab. Vgl. E.S. MALbON, Narrative
Space and Mythic Meaning in Mark (San Francisco, cA 1986); G.J. WiLLiAMS,
„Narrative Space, Angelic revelation, and the End of Mark’s Gospel“, JSNT 35
(2013) 263-284.
5
Vgl. dazu KLuMbiES, Mythos, 104; DErS., „Das Sterben Jesu als Schauspiel
nach Lk 23,44-49“, BZ.NF 47 (2003) 186-205, 194, 196; DErS., „Weg vom Grab!
Die richtung der synoptischen Grabeserzählungen und das ‚heilige Grab‘“, JBTh
19 (2004) 143-169, hier 150, 158-159, 165; DErS., „Konzept“, 105-106, 111-114;
DErS., „raumverständnis“, 29, 45.
BiBlica 97.3 (2016) 375-394